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Warum ist es am Rhein so schön?

Warum ist es am Rhein so schön?


Die verkehrsreichste Wasserstraße der Welt als ein Symbol für die Kultur und Geschichte der Region, sowie Bedeutung für den Handel und die Wirtschaft

Schon seit vielen Jahren singt man -speziell im rheinischen Karneval- das Lied mit dem
bedeutungsschweren Titel, der neugierig machen kann: „Warum ist es am Rhein so schön?“ – und damit verbunden die Frage, die sich Menschen stellen, die nicht das Glück haben, an den Ufern dieses mächtigen Stroms leben zu dürfen.
Mit seinen 1232,7 Kilometer gilt der Rhein als die verkehrsreichste Wasserstraße der Welt. Sein Quellgebiet liegt im Schweizer Kanton Graubünden, genauer gesagt im Gotthard-Massiv. Die Mündungsarme fließen in die Nordsee. Auf dem Weg dorthin wird er in verschiedene Abschnitte unterteilt: Vorderrhein und Hinterrhein fließen zusammen und bis zum Bodensee trägt er die Bezeichnung Alpenrhein. Es folgen die Gebiete Hochrhein (einschließlich des den oberen mit dem unteren Bodensee verbindenden Seerheins), Oberrhein, Mittelrhein bis Niederrhein, einschließlich der drei Mündungsarme des Deltarheins: Waal, Lek und IJssel. Dabei liegt der flächenmäßig größte Teil des Flusses in Deutschland, gefolgt von Frankreich, den Niederlanden und der Schweiz. Der Rhein ist der zehntlängste Fluss Europas und der siebtlängste, der direkt ins Meer mündet. Unter den Flüssen des deutschen Sprachraums ist er der zweitlängste nach der Donau und vor der Elbe.
An den Ufern des Rheins befinden sich 20 Gemeinden mit 100.000 und mehr Einwohnern. Viele von ihnen gingen aus römischen Siedlungen hervor, wie Basel, Straßburg, Mainz, Koblenz, Bonn, Köln, Neuss, Nimwegen, Utrecht und Leiden. Diese gehören zu den wichtigsten Rheinstädten und liegen alle am linken Rheinufer, hier zeigt sich der Rheins als Grenze während des Römischen Reiches. Unter den rechtsrheinischen Großstädten finden sich mit Karlsruhe, Mannheim, Wiesbaden und Düsseldorf auffallend viele jüngere Residenzstädte.
Auf dem traditionellen Rhein zwischen Basel und der niederländischen Grenze wurden im Jahr 2020 160 Millionen Tonnen Güter transportiert. Jährlich passieren im Güter- und Frachtschiffsverkehr ca. 25.000 Schiffe mit durchschnittlich 22 Millionen Gütertonnen die Schleuse Iffezheim. Der Personen- und Kreuzfahrtverkehr ist hier noch gar nicht eingerechnet.
Das erscheint mir ausreichend Grund zu sein, mich selbst von der Vielfalt des Stroms zu überzeugen. Und was ist dran an der vielbesungenen Rhein-Romantik? Kapitän Jeroen Verhagen (55) nimmt mich mit an Bord der Rhein Melodie. Unser Plan: Gegen den Strom von Amsterdam nach Basel. Ankunft in Amsterdam. Etwas Zeit bleibt noch, um die vielen denkmalgeschützten Altbauten aus vergangenen Jahrhunderten zu besichtigten. Seit 2010 gehören die Grachten zum UNESCO Welterbe, der Wasserspiegel liegt etwa 40 cm unter dem Meeresspiegel der Nordsee. Sie verleihen der Stadt einen besonderen Charme und erinnern auf Schritt und Tritt an Seefahrer- und Handelsnation. Das idyllische Kanalsystem formt über eine Gesamtlänge von 80 Kilometern das komplette Stadtgebiet, auch ‚Venedig des Nordens‘ genannt. 165 Grachten, 1281 Brücken, 70 Rundfahrtboote, 8 hölzerne Zugbrücken, 2.500 Wohnboote und 120 Tretboote – eine Grachtenfahrt ist ein Muss!





Leinen los, es geht Richtung Amsterdam-Rhein-Kanal, eine künstliche Wasserstraße als Verbindung zur Waal, dem größten Rheinarm im Rhein-Maas-Delta und die kürzeste Verbindung Richtung Ruhrgebiet. Über Nacht erreichen wir Nimwegen oder auch Nijmegen, die älteste Stadt der Niederlande und zugleich eine mit vielen jungen Studenten, die der Stadt eine moderne Note geben. Vergangenheit und Gegenwart sind überall präsent.

Bei der Weiterfahrt werden die kilometerlangen Strände der Waal mitten in der Stadt und weiter entlang des Ufers sichtbar, es folgen hier und da alte Ziegelbrennereien mit hohen Schornsteinen. Einige davon sind liebevoll zu Hotels umgebaut worden. Am Ufer grasen wilde Konikpferde. Und schottische Galloway-Rinder streifen frei durch die Millinger Waard. Sie gehen ihre eigenen Wege, stehen mal am Ufer oder ziehen sich zurück ins dichte Strauchgestrüpp. Vom Fluss aus kann ich gut beobachten, welchen Fortschritt die in den 1990er Jahren begonnene schrittweise Umwandlung der landwirtschaftlich und industriell genutzten Flusslandschaft zum Landschaftsschutzgebiet macht. Schafe, Baumgebiete, grüne Flächen, ein Campingplatz, und gelegentlich etwas Industrie ziehen sich Kilometer um Kilometer, kontrastreich.





Mit einer Geschwindigkeit von 11,5 km/h ziehen wir durch das Niederrhein-Gebiet. Zu schnell können wir derzeit nicht fahren, der Rhein hat derzeit wenig Wasser. Niedrigwasser. Klimawandel. Wenn Gletscher ‚sterben‘, wie schaut das Leben auf dem Rhein künftig aus? Recherchen ergeben: Aktuell fließt im Anschluss an die Schneeschmelze im Frühjahr noch frisches Gletscherwasser in den Rhein, wird diese Quelle in 30 bis 40 Jahren - also in den 2050er Jahren – versiegt sein, äußerte ein Meteorologe im Sommer 2023 in einem Interview. Optimistischere Schätzungen gehen bis zum Jahr 2100 als Ende für das Gletscherwasser aus. Ab diesem Zeitpunkt könnte die Wassermenge im Fluss im Hochsommermonat August um ein Drittel bis zur Hälfte zurückgehen, hat die Internationale Kommission für die Hydrologie des Rheingebiets (KHR) errechnet - mit entsprechenden Folgen für Wasserwerke, Landwirte und Industrie. Selbst die zahlreichen Nebenflüsse des Rheins würden diese Verluste nicht auffangen können.
Am nächsten Morgen erreichen wir die Domstadt Köln. Die Kölner betrachteten den Rhein im Mittelalter als heiligen Fluss, der die Macht besaß, Sünden abzuwaschen. Er war ihr Energielieferant in mehrfacher Hinsicht. Als Köln die größte deutschsprachige Stadt war, standen Mühlen im Fluss. Die Strömung trieb die Mühlräder an, das Getreide wurde gemahlen. Der Kölner Dom ist seit Jahrhunderten das Wahrzeichen der Metropole am Rhein und das bekannteste Architekturdenkmal Deutschlands. Der Dom ist das zweitgrößte Kirchengebäude Europas – nach dem Ulmer Münster. Darin befindet sich ein Dreikönigsschrein, in dem die angeblichen Reliquien der Heiligen Drei Könige aufbewahrt werden und daher trägt Köln auch in seinem Stadtwappen Drei Kronen.
Gemütlich ziehen wir weiter, bald erreichen wir Bonn, Beethovens Geburtsstadt. Entlang des Ufers säumen sich exklusive Villen, Wanderwege und Ausflugsrestaurants. An den Hängen des Siebengebirges leuchtet das Herbstlaub. Petersberg, Großer Ölberg, Lohrberg, Löwenburg, Nonnenstromberg, Wolkenburg und Drachenfels heißen die höchsten Gipfel. Bei Kilometer 660 gleiten wir nahtlos in das Mittelrheingebiet. Herrlich zu lesen die Sage, wie das Siebengebirge entstanden sein soll. Denn zu jener Zeit floss der Rhein nur von der Schweiz bis hierher.
Landgang in Koblenz. Der ursprüngliche lateinische Name der Stadt ist auf die Lage der Stadt zurückzuführen. Das ‚Deutschen Eck‘ liegt an der Mündungsspitze von Mosel und Rhein. Das obere Mittelrheintal darf die Bezeichnung UNESCO Welterbe Kulturlandschaft tragen, da es als eine der wichtigsten Verkehrswege Europas zwei Jahrtausende lang den kulturellen Austausch zwischen dem Mittelmeerraum und Nordeuropas ermöglichte.  Meine Zeit hier reicht, ich nehme die Seilbahn über den Rhein zur wirklich sehr hübschen und bestens erhaltenen Festung Ehrenbreitstein. Auf 890 Meter Länge überwindet sie 112 Höhenmeter und überwindet an dieser Stelle 287 Meter Breite des Rheins. Ich genieße die Vogelperspektive bei ca. 16 km/ h.
Wieder an Bord beginnt eine traumhaft schöne Etappe. Unzählige Schlösser, Burgen und Festungen zeigen sich auf dem Weg Richtung Loreley und der Name der ‚Rhein Melodie‘ wird Programm: Wie umhüllt vom bezaubernden Wohlklang ziehen wir vorbei an Stolzenfels, Boppard, Liebenstein, Sterrenberg und die Ehrenthaler Werth. Und richtig lieblich wird es, als wir den 132 Meter hohen Felsen ‚Loreley am Rhein‘ erblicken. Natürlich mit einem Loreley-Cocktail in der Hand, spendiert vom Kapitän. Mit 105 Meter Breite und ca. 25 Meter Tiefe ist die Wasserstraße hier eine Herausforderung mit Untiefen. Im 19. Jahrhundert wurde die Mannschaft kurz vor der Passage mit drei Glockenschlägen zum Gebet aufgefordert. Die bekannteste Sage -die meisten haben ihren Ursprung in der Romantik- der Loreley ist wohl, dass sie sitzend auf einem Felsen ihr güldenes Haar kämmt. So kamen die Schifffahrer von ihrem Kurs ab und zerschellten an den Felsen. Loreleys Statue sitzt unterhalb des Felsens am Wasser auf einer Hafenmole.




Bei Kilometer 546,3 liegt der Ort Kaub, ein traditioneller Wohnsitz der Schifflotsen und früher wichtige Zollstation, davor thront eine kleine Burg auf einem Felsenriff. In der Schifffahrt spricht man auch vom Pegel Kaub, der wichtigste Pegel auf dem Mittelrhein. Danach bemisst sich bei Niedrigwasser für die Frachtschifffahrt die mögliche Ladetiefe und damit die Tauchtiefe des Schiffes.
Vorbei geht es an der Burg Sooneck, der Burg Rheinstein, der Burgruine Ehrenfels, am Mäuseturm, an Bingen, Rüdesheim, Ingelheim, Eltville, Wiesbaden, Mainz und zur Einmündung des Mains. Seit 1992 geht es ab hier über den Rhein-Main-Kanal 2966 km zum Schwarzen Meer.
Es folgen Biblis, Worms bis zum Abzweig Neckar, einer der größten Nebenflüsse des Rheins, unübersehbar die Industrieareale von BASF bis wir in Ludwigshafen anlegen. Den Landgang dort nutze ich für einen Abstecher zur Domstadt Speyer, eine kreisfreie Stadt in Rheinland-Pfalz und Teil der Metropolregion Rhein-Neckar und eine der ältesten Städte Deutschlands. Das seit 1982 zum UNESCO Welterbe gehörende Wahrzeichen, der im Romanischen Baustil erbaute Dom zu Speyer befindet sich am Ende der Fußgängerzone. Seine Ausstrahlung zieht Millionen von Besuchern jährlich in den Bann. Filigrane Fresken verzieren die Säulen.
Bis nach Straßburg sind es ca. 140 Kilometer, die wir durch die Nacht hindurch fahren. In der Stadt führen heute vier Brücken über den Rhein, Verkehrswege und verbindende Elemente zwischen den beiden Ländern Frankreich und Deutschland. Straßburg stellt zudem den zweitgrößten Binnenhafen in ganz Frankreich. Mit der Tramlinie D komme ich schnell in die Innenstadt. Idyllische Fachwerkgassen, das malerische Gerberviertel und natürlich das eindrucksvolle Münster mit seiner astronomischen Uhr sind die Hotspots Strasbourgs, wie die Franzosen sagen, mit offiziellem Sitz des Europäischen Parlaments.
Die wechselnden Gesichter des Rheins zeigen sich: Niedrigwasserstand zu Beginn meiner Reise. Der Regen der vergangenen Tage ließ den Wasserstand derart ansteigen, dass das Schiff ‚Rhein Melodie‘ es nun nicht mehr durch die Pont de Chalampé bei Neuenburg am Rhein schafft. Mein geplantes Ende der Reise organisiere ich mit einer Busfahrt nach Basel, um mir dort noch die Stadt anschauen zu können. So ist das in der Schifffahrt, man muss sich anpassen. Mein Rendezvous mit dem Rhein geht zu Ende. Eine Fahrt durch vier Länder ohne Grenzkontrollen. Schiff ahoi, schön war es.

von Susanne Reuter, November 2023


Triptipps
Schlechtes Wetter gibt es nicht, nur falsche Kleidung. Immer dicken Pulli und Jacke sowie Regenschutz mitnehmen. Außerdem hilfreich: Fernglas für Entdeckungen am Ufer.
NickoCruises (Stuttgart) bietet mehr als 100 Routen auf den Flüssen und der Hochsee weltweit. nicko-cruises.de