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Stadt, Land, Wüste: Die Provinz Almería


Die Region um Almería zählt zu den unbekannteren Schönheiten Andalusiens

Frage ich Maria Ángeles Cuena Ramos, warum sie vor knapp 30 Jahren vom Norden Spaniens nach Almería gezogen ist, antwortet sie: „Wir haben hier die Sonne, das Meer, die Berge, sehr gutes Essen, ca. 65 km unverbaute Küste, Natur- und Naturschutzgebiete und genießen ganz viel Freiheit. Ich fühle mich hier frei.“ Über die nahen Hänge hinter der Stadt dehnt sich die Sierra Nevada aus. Mit ca. 3.000 Sonnenstunden im Jahr ist Almería eine der Städte mit den meisten Sonnenstunden Spaniens im Jahr. Die jährliche Durchschnittstemperatur liegt bei 18 °C bis 19 °C. Im Winter ist die Wassertemperatur sogar höher als die Lufttemperatur. Almería – oder übersetzt ‚Spiegel des Meeres‘ ist vielen unter uns auch als ‚Plastikmeer‘ bekannt. Und in der Tat, verlässt man den Ort, und richtet den Blick in der Höhe in Richtung Meer, glänzen die Foliendächer der Gewächshäuser und verbinden sich optisch mit der Wasseroberfläche. Auf ca. 34.000 Hektar wird hier Gemüse wird angebaut. Tomaten, Gurken, Auberginen, und später im Jahr dann Melonen. Schön schauen die Anlagen nicht aus, die Landwirtschaft jedoch stellt seit Jahrzehnten eine wichtige Einnahmequelle der Region dar und sind daher unweigerlich mit der Region Almería verbunden.
Maria, die unsere kleine Gruppe in den nächsten Tagen begleitet, nimmt uns mit zu den spannenden Plätzen der Region. Nur ca. 30 Kilometer im Landesinneren beginnt die Wüste Tabernas, Europas einzige Wüste. Für das trockene Klima in dem knapp 12.000 Hektar großen Naturgebiet sind die angrenzenden Gebirgszüge Los Filabres und Alhamilla mit verantwortlich. Durchschnittliche Niederschlagsmengen unter 250 mm – es hat in 2022 seit Juni nicht mehr geregnet - und auch hier Sonnenschein pur machen das Gebiet zur heißesten und trockensten Region in Europa. Ich kann mir dabei nur schwer vorstellen, dass ich auf einem ehemaligen Meeresgrund stehe. Wir treffen Christine Serena von Malcamino's, die uns im Allrad-Fahrzeug durch das wilde Gelände fährt. Sie erklärt uns: „Vor Millionen Jahren bedeckte das Mittelmeer diese Zone. Mit sinkendem Meeresspiegel lagerten sich Sand, Ton und Schlamm in einem Sedimentbecken ab. Danach schufen Sonne, Wind, Regen diese faszinierende Landschaft.“ Die einzelnen Sedimentschichten wirken wuchtig. Ich streiche vorsichtig über die Oberfläche und fühle den Sand. Über Jahrzehnte hat die Natur richtige Formen geschaffen, wie z.B. den Kopf einer Schildkröte mit ihrem herabhängenden Arm. Eine faszinierende Landschaften Europas, Geologen und andere Forscher sind gerne hier. Denn in der Wildnis Tabernas wachsen Pflanzen, die es sonst nirgends gibt. Wie die kerzenförmigen Cistanchen, eine Schmarotzerpflanze mit weißen Blüten, die sich mit ihren Wurzeln vom Saft anderer Pflanzenwurzeln nährt. Wir haben Glück, der Strauch-Dornlattich blüht gerade, ein zarter, gelber Kleks in der kargen Landschaft. Christine macht mich neugierig: „Streiche einmal über die Blätter des Limonium, dem Strandflieder, und lecke danach am Finger!“ Salzig! Ich schmecke sehr viel Salz.

 


 


"Tabernas hat die perfekte Kulisse, sehr ähnlich wie die nordamerikanischen Wüsten oder Landschaften in Nordafrika“, erklärt Cristina.  Die Provinz gilt immer noch als „europäisches Hollywood“. Schätzungsweise über 500 Western wurden bisher in den staubigen und trockenen Tälern rund um Almeria und besonders hier im Tabernas-Gebiet gedreht, wie z.B. Blockbuster wie zählen wie Sergio Leones Dollar-Trilogie mit Clint Eastwood sowie "Spiel mir das Lied vom Tod", "Lawrence von Arabien", "Cleopatra", "Conan der Barbar", "Der letzte Kreuzzug", und natürlich Bully Herbigs witziger Film „Der Schuh des Manitu“. In ‚Mini-Hollywood‘ erleben Besucher den wilden Westen im Salon mit Stunts- und Tanzshows. Ja, in der Tat, irgendwie bekommen wir richtig Lust, mit Lasso und Pferd loszureiten.



Weiter westlich, in dem von Tälern und Schluchten durchzogenen Südhang der Sierra Nevada treffen wir auf all die hübschen Dörfer, die verstreut die ‚Alpujarra‘ ausmachen. Ein von starken Kontrasten geprägtes Gebiet, zuerst siedelten hier Iberer und Kelten, danach die Römer, die Westgoten, schließlich wurde das Land von den Mauren besetzt, bis diese von den katholischen Königen vertrieben wurden. Mit jeder Kurve, die wir hinauffahren, wird es langsam grüner, der Terrassenanbau sichtbar. Auf 1.250 Metern liegt der Ort Bayárcal, der höchst gelegene Ort der Provinz Almería. Die Kirche ist nicht zu übersehen, um sie herum angesiedelt hübsche kleine Häuser, die Gassen äußerst sauber und gepflegt. Die verschachtelte Bauweise der Dörfer mit zahlreichen Brunnen erinnert an die Berberdörfer im Atlasgebirge. Im Alpujarras-Gebiet stehen Wanderungen, Bergsteigen und Biken auf dem täglichen Programm.





Auch an den Traumstränden, Klippen und Buchten des Naturparks Cabo de Gata, die unweit östlich von Almería liegen, finden häufig Dreharbeiten statt. Der Ort San José wirkt wie eine Oase inmitten der kargen Vulkanlandschaft. Der in den Sommermonaten auch bei Spaniern beliebte Ort erscheint lieblich mit seinen grünen Gärten, Palmen und weißgetünchte Häuserreihen. Ein idealer Ausgangsort für Wanderungen in der Region. Wir entscheiden uns für den Weg Richtung Cap, wo der Leuchtturm steht. Gerade in der Nebensaison sind hier nur noch wenige Besucher unterwegs. Für eine Erfrischung im Meer wählen wir den paradiesisch gelegenen Strand Monsul und genießen auch im November noch Badetemperaturen. Los Genoveses oder Playazo, aber auch kleine und abgelegene Buchten wie Cala del Plomo, Cala de en medio, Cala Carbón haben ihren Reiz. Schilder weisen auf die Bademöglichkeiten hin. Die Parkmöglichkeiten in der Region sind begrenzt, Pendelbusse entlasten den Individualverkehr. Dieser außergewöhnliche geologische Naturraum bildet einen der landschaftlich wertvollsten Küstenstreifen am spanischen Mittelmeer. 1997 von der UNESCO zum Biosphärenreservat erklärt, unterliegt die Region zudem einem besonderen Vogelschutz (ZEPA) und wurde als bedeutendes Internationales Feuchtgebiet in das Ramsar-Abkommen aufgenommen. Sonne und Schatten bieten uns ein interessantes Spiel in der Halbwüste mit vulkanischer Vergangenheit. Mannshohe Zwergpalmen, riesige American Agave und wunderschöne Palmen säumen den Weg. An ausgewiesenen Stellen kann man schnorcheln und tauchen, unter Wasser zeigt sich ein seltener Reichtum: Tiere wie die Meersau, der Ziegenbarsch und der Meerbarbenkönig sind hier zu Hause.
Playa del Playazo heißt der Strand von Rodalquilar und ist von beeindruckender Schönheit. Im Hinterland liegt der lieblich anmutende Ort mit einer verlassenen Goldmine. 1864 begann der Goldboom, doch das begehrte Edelmetall lag tief im Gestein eingelagert. Etwa 30 Jahre später investierten britische und amerikanische Firmen in Minenschächte. Ab dem 20. Jahrhundert lohnte sich der Abbau: Pro Jahr wurden 2.500 Tonnen quarzhaltigen Gesteins zermahlen, aus dem man 30 bis 60 Kilo Gold extrahierte. Nach dem Krieg wurden die Bergwerke verstaatlicht, bis Ende der 1950er Jahre florierte der Goldabbau. In guten Jahren wurden so insgesamt 700 kg Gold gewonnen. In den 60er Jahren reduzierte sich der Ertrag sukzessive, bis man im Jahr 1990 die Minen endgültig schloss.
Zurück in Almería Stadt, die mit ihren 190.000 Einwohnern etwa 200 Kilometer östlich von Malaga und 120 Autokilometer von der im Osten liegenden Region Murcia entfernt liegt. Weiß getünchte, alte Häuser, die verwinkelte und enge Gässchen bilden, viele schöne Gärten, und dann natürlich überall Palmen, nicht nur am Meer. Neben der Kathedrale aus dem Jahr 1524 mit ihren gotischen, barocken, klassizistischen und Renaissance-Elementen beeindruckt die mächtige maurische Festung Alcazaba. Von hier aus haben Besucher einen grandiosen Blick über die Stadt. Die Festung stammt aus dem zehnten Jahrhundert. Sie steht auf einem etwa 85 m hohen Hügel und wurde in der Herrscherzeit des Kalifen Abd ar-Rahman III. errichtet. Bis ins 15. Jahrhundert diente sie als Residenz der muslimischen Stadtherren. Nach der christlichen Eroberung wurde sie von den Katholischen Königen und Carlos I reformiert.



Während des spanischen Bürgerkriegs wurden 1936 in Almería Schutzräume erbaut, sogenannte Refugios.  Der städtische Architekt Guillermo Langle Rubio plante sie. Nach 52 Luft- und Seebombardierungen war dies die einzige Lösung, weiteren Angriffen standzuhalten. Auf über vier Kilometer Länge wurden diese Schutzräume auf bis zu 16 Meter unter der Erde gebaut und konnten ca. 40.000 Einwohner aufnehmen. Es existierte sogar einer kleiner Operationsraum. Insgesamt gab es über 100 Eingänge, verstreut über die ganze Stadt. Um den Eingang zu verstecken, wurden kleine Kioske gebaut, die heute immer noch vorhanden sind. Unter dem Franco-Regime wurden die Refugios geschlossen und gerieten in Vergessenheit. Bei Bauarbeiten im Jahr 2001 stieß man zufällig auf diese Schutzräume und entschloss sich zur Renovierung.
Die Provinz Almería ist übrigens stolz auf eine eigene Marke. Der ‚Indalo‘ wurde erstmals in einer Höhle entdeckt und als Mensch interpretiert, der einen Regenbogen in den Händen hält. Wie eine Art Herkunftsnachweis wird er von Firmen und Behörden auf Briefpapier, Verpackungen und LKW-Planen gedruckt.


Trip Tipps:
Almeria Unterirdische Schutzräume, Eingang Plaza Manuel Peréz García. Tickets vorbuchen! andalucia.org/de/almeria-kultureller-tourismus-refugios-de-la-guerra-civil-almeria
Essen: Taberna Las Botas, Casa Sevilla oder Casa Puga in Almerìa, Restaurant Montesión in Lucainena de las Torres, 4 Nudos in San José Club Nautico, Gastrotaberna Matizes in Laujar de Andarax.
Wandern In der Wüste Tabernas: Über die Route Nummer PR 268 ist es Wanderern erlaubt, auf ca. 8 Kilometern in Eigenregie die Wüste zu erkunden. Oder man folgt zu Fuß dem ausgetrockneten Flussbett, den Rambla. Diese Trockenflussrouten sind öffentliche Wege. Biketouren oder ein Ausflug auf dem Pferd sind ebenso möglich.
Abenteuer & Entschleunigung sind kein Gegensatz: Seilrutsche im BNatural Sports Park, Alpujarra. Wer mag: Meditationszeremonie mit Klangschalen und Waldbad. Bnaturalsport.com
Größtes Gipskarstgebiet in Europa: Besuch in den Cuevas de Sobras möglich, Tourenbuchung unter cuevasdesorbas.com
Guide: Maria Ángeles Cueana Ramos, spricht deutsch, englisch, französisch, guialmeria.com