Aktivurlaub Menorca: Wandern und Kultur mit Karibikflair
Die Insel Menorca ist erklärtes Biosphärenreservat, beeindruckt mit talayotischer Kultur und präsentiert sich als heimlicher Star der Balearen. 2021 zählte die Insel knapp eine Million Besucher, etwas über 31.000 kamen aus Deutschland.
Bereits im Landeanflug verrät mir der Blick aus dem Fenster, die Insel hält, was sie verspricht: Ein Naturparadies mit unzähligen Wanderwegen entlang der 216 Kilometer langen Küste mit grandiosen Blicken auf traumhaft gelegene Buchten und türkisblauen Lagunen. Der 185 km lange ‚Wanderweg, der um die Insel führt, trägt den eindrucksvollen Namen Camí de Cavalls, der Weg der Pferde. Der Name ist historisch geprägt, sein Ursprung geht auf das 14. Jahrhundert zurück und wurde zur Verteidigung der Küste durch Ritter mit durch Rüstung geschützte Pferde geschaffen. Später unter britischer Krone wurde dieser Weg um Wehrtürme und Festungsanlagen ergänzt. Mit der Neugestaltung in 2010 ist er heute als Fernwanderweg GR 223 anerkannt. Viele Strände und Buchten Menorcas sind nur über den Camí de Cavalls erreichbar. Ein Klassiker also, an dem nahezu kein Besucher der Insel vorbeikommt. Aufgeteilt in 20 Abschnitte kann ich an jeder Stelle einsteigen, überall zu Fuß, an ausgewiesenen Passagen auch mit dem Fahrrad oder hoch zu Ross. Lediglich ein Teil wird als schwierige Strecke definiert. Die anderen Passagen, jeweils zwischen 5 und 13 km lang, sind als leicht bis mittel eingestuft. Gutes, festes Schuhwerk ist sinnvoll.
Ein Ausflug führt mich in den Süden durch die besonders eindrucksvolle Baranc de Binigaus zur Cave de Collon. Im Ort Es Migjorn Gran finde ich den Ausgangspunkt der Wanderung, nahe des Friedhofs. Vorbei an Talajots, so nennt man die prähistorischen Bauwerke auf den Balearen, weist mir der Hinweis Cuevas die Richtung. Der fahrbare Weg geht später in einen schmalen Pfad auf einer Terrasse über, der durch grüne, wilde Natur und Kalksandsteinwände führt. Das Lied der Nachtigall und der Ruf des Wiedehopfs begleiten mich mit jedem Schritt. Nicht ganz einfach zu finden ist der Abzweig zur Höhle. Es geht bergauf, bergab und ganz unverhofft stehe ich vor dem Eingangsportal zur Cave de Collon. Im Volksmund aufgrund der Größe auch La Catedral genannt, trete ich ehrfurchtgebietend ein in eine riesige Höhle mit 110 Metern Länge, 15 Metern Breite und 24 Metern Höhe. Funde aus dem an einen Saal erinnernden Inneren deuten darauf hin, dass es sich um einen Ort der religiösen Wallfahrt gehandelt haben könnte. Auch ohne Taschenlampe ist es hell genug, die Wände zu betrachten und die Dimensionen wirken zu lassen. Mein Weg führt mich weiter zum Meer hinunter und endet in Sant Tomás. Ebenfalls im Süden führen die Wege über den Camí de Cavalls nach Cala Galdana. In westliche Richtung wandernd finde ich dort die traumhaft gelegenen Buchten Cala Macarella und Macarelleta. Boote ankern in den Buchten, beim Anblick der weißen Strände und dem glasklaren, türkisblauen Wasser stellt sich Karibikfeeling ein.
Menorcas Natur- und Kulturreichtum
Die Insel wurde 1993 dank der besonnenen und respektvollen Haltung der Inselbewohner gegenüber der Natur zum Biosphärenreservat erklärt. Der Erhalt der Landschaft geht einher mit der wirtschaftlichen Entwicklung, natürliche Ressourcen werden schonend genutzt. Im Naturpark Albufera des Grau befindet sich das Zentrum des Reservats. Hier begann in den 70er Jahren der Prozess, sich gegen verschiedene Urbanisierungsprojekte zu wehren. Die Feuchtgebiete, eine Brackwasserlagune, wilde Olivenhaine, Seegraswiesen und küstennahe Inselchen bilden heute die Grundlage der biologischen Vielfalt und stellen das wichtigste Ökosystem der Insel dar. Kormorane, Reiher oder Fischadler, Meeresche sind in diesem großartigen Naturreservat zu Hause.
Unter dem megalithischen Erbe sind mehr als 1.600 prähistorische Monumente wie Talayots oder Taulas gemeint, die über die ganze Insel unter freiem Himmel verstreut sind. Magentafarbene Hinweisschilder weisen auf diese Stätten hin. Es handelt sich dabei um eine einzigartige Archäologie, die nur auf den Balearen existierte. Torralba d‘en Salort ist eine der schönsten und am besten erhaltenen prähistorischen Siedlungen Menorcas, die vermutlich in der Bronzezeit entstand. Sie besteht aus zwei Talayots, einem Säulensaal sowie Wohnstätten und einer T-förmigen Taula. An dem Dach aus flachen glatten Steinen, das sich auf Säulen stützt, erkenne ich den Säulensaal. Stein an Stein gelegt ohne Bindemittel hält das Hypostyl auf beeindruckende Weise. 1990 von der Stiftung Fundació Illes Balears erworben, wurde dieses Areal als „Stätte von kulturellem Interesse“ (BIC) eingestuft und ist Teil des Talayotischen Menorcas. Die Auszeichnung zum UNESCO-Welterbes wird in Kürze erwartet.
Mit seinen 358 Metern ist der El Toro der höchste Berg der Insel. Von hier aus genieße ich einen herrlichen Ausblick auf die gesamte Insel inklusive der westlich gelegenen ‚großen Schwester‘ Mallorca. Durch die Wiedereinführung des Christentums im 13. Jahrhundert ist dieser Ort ist tief verwurzelt mit der Vergangenheit des Inselvolkes. Eine kleine Kirche inmitten eines hübschen Innenhofs beherbergt die holzgeschnitzte Madonna ‚Virgen del Toro‘, Schutzpatronin der Menorquiner. Gleich unterhalb des El Toro treffe ich auf Es Mercadal. Geografisch betrachtet liegt der Ort genau in der Inselmitte und ist bekannt für typische menorquinische Backwaren und den Wochenmarkt.
Nun zieht es mich in die größeren Orte der Insel. Mahon, die Hauptstadt Menorcas, liegt im Osten der Insel. Verwinkelte Gassen versprühen kolonialen Charme, Geschäfte und Bars präsentieren ihr Angebot. Durch die wechselnden Herrschaftseinflüsse der Engländer, Franzosen und Spanier erreichte die Stadt eine reiche Kombination verschiedener Kulturen, die noch heute in den verwinkelten Gassen und Straßen zu spüren ist. Ich schlendere durchs Zentrum, mein Weg führt mich zum Mercato Claustre del Carme, ein beeindruckender Bau, der den traditionsreichen Markt der Stadt beherbergt. Den Hunger kann man auf der Schnabuliermeile im Fischmarkt stillen. Und wer bis dahin keinen verspürte, bekommt jetzt auf alle Fälle Appetit auf die leckeren Häppchen, Tappas oder Schinkenspezialitäten. Über den Plaza Miranda gelange ich zum Hafen und finde die bekannte Destileria, in der der weltbekannte Gin hergestellt wird. Ein Besuch lohnt sich und ich erfahre, dass die Rezeptur eigentlich ganz einfach ist: Hochwertiger Weinalkohol, Wacholderbeeren aus den Pyrenäen und Wasser, traditionell -das aber bleibt das Geheimnis- destillieren, abfüllen und fertig ist der Gin Xoriguer aus Mahon. 2.900 Liter werden dort täglich hergestellt und weltweit exportiert. Der Standort erscheint praktisch, die Ware kann gleich im Hafen verschifft werden. Von hier aus starten übrigens auch diverse Ausflugsboote. An Deck weht ein erfrischender Wind und schon geht’s los. Herrschaftliche Anwesen säumen das Ufer und wir gleiten durch den 5,5 km langen und größten Naturhafen des Mittelmeers mit der weltweit tiefsten, nämlich 29 Meter tiefen Fahrrinne. Am Ende zum Meer hin befinden sich geschichtsträchtige Festungen, Verteidigungsanlagen und Wehrtürme, deren Geschichten ich an Bord lauschen kann.
Ciutadella de Menorca war die frühere Hauptstadt der Insel. Auch hier nehme ich mir die Zeit durch das Altstadtviertel mit romantischen, mittelalterlichen Straßen zu schlendern. Um die Plaça des Born, den Hauptplatz der Stadt, verteilen sich das gotische Rathaus, den Obelisk und die Paläste Palau de Salort sowie Palau Torresaura aus dem 19. Jahrhundert. In der Kathedrale Santa Maria de Ciutadella (14. Jh.) gibt es einen prächtigen Marmoraltar und die barocke Capella de les Animes (Kapelle der Seelen) zu besichtigen.
Wer zur entsprechenden Jahreszeit vor Ort ist, erlebt Ciutadella im Ausnahmezustand: Jährlich wird im Juni ‚Sant Joan‘ oder der ‚Sankt Johannes Tag‘ mit bis zu 30.000 Menschen und ganz viel Tradition gefeiert. Seine Wurzeln findet das Fest im 14. Jahrhundert, im Mittelpunkt steht das Pferd. Das Fest entstand Übertragungen zufolge durch eine Bruderschaft, die aus mehreren Schichten bestand. Daher entstammen auch heute noch die Reiter aus mehreren verschiedenen Ständen. Der Bruderschaftsausschuss Junta de Caixers wird alle 2 Jahre gewählt und ist für die Bewahrung der Traditionen des Sant Joan Festes zuständig.
von Susanne Reuter, Juni 2022
Trip Tipps:
Essen & Trinken: Weingut Binifadet in Sant Lluìs, Tapas im Fischmarkt in Mahón, rustikal menorquinisch im Es Molí de Racó in Es Mercadal.
Angesagt und in wirklich atemberaubender Lage: die Höhlenbar Cova d’en Xoroi.
Übernachten: Gehoben im Agroturismo Rafal Rubí in Alaior, strandnah im Hotel 55 in Sant Tomás, oder im 4* Rural Morvedra Nou, Camí de Macarella, Km 7 07760 mit Zertifizierung zur Starlight-Unterkunft. Auf dem Dreschplatz im Garten kann man astronomischen Geschichten lauschen und Sternschnuppen beobachten. Menorca ist Sternenlichtreservat!
Besuch des Fischerdorfs Fornell im Norden Menorcas. Liegt malerisch an einer fjordähnlichen Meeresbucht. Der Ort ist Heimat der Langustenfischer.
Das Naturkunst-Projekt Lithíca hat aufgegebene Steinbrüche in Themengärten verwandelt und wird für kulturelle Events genutzt.
Geführte Wanderreisen ‚aktiv und entspannt‘, Wander- und Radreisen, Natur pur, Wanderstudienreisen und Silvesterreisen auf Menorca unter www.wikinger-reisen.de
Weitere Informationen: Spanisches Fremdenverkehrsamt, Frankfurt, www.spain.info/de