Die Ostalpen: Vom Königssee zu den Drei Zinnen
Gleich hinter der kleinen Wallfahrtskapelle St. Bartholomä, gelegen am traumhaft schönen Königssee im Landkreis Berchtesgardener Land im Südosten von Bayern, beginnt unser Weg. Unser Plan: Wir wandern durch die Ostalpen bis zu den Drei Zinnen. Wir, das sind sieben Frauen (!) und vier Männer plus ein Bergführer. Nachdem sich die dunklen Regenwolken verzogen haben, blicken wir auf ein wahrliches Idyll, auf den malerisch gelegenen, blaugrünen Königssee, eingebettet in steile Berghänge. Nur der Watzmann bleibt beharrlich in seinem Wolkenkleid. Durch die sog. Saugasse wird unser Weg steiler, der Himmel aber bleibt bayerisch blau mit weißen Wölkchen. Über unzählige Kehren laufen wir wie in einer Rinne, beidseitig säumen Felswände den Verlauf. Danach beginnt ein Hochtal und es dauert nicht mehr lange, bis wir das Kärlingerhaus entdecken, das erste Etappenziel.
Unsere Nacht verbringen wir im Bettenlager. Am nächsten Morgen verbindet unsere Gruppe ein familiäres Feeling, wir haben uns so richtig zusammengefunden und brechen gleich nach dem Frühstück auf. Hinter dem Kärlingerhaus liegt das Steinerne Meer, ein ca. 13 km langes und 5 km breites, karstiges, unwirtliches und wasserarmes Hochplateau. Aufgrund des einsetzenden schlechten Wetters und der noch existierenden Schneefelder entscheidet unser Bergführer Peter, die Route über das Ingolstädter Haus zu nehmen, also am Rande des Steinernen Meeres zu bleiben. Eine Querung des Steinernen Meeres kann bei diesen widrigen Wetterverhältnissen sehr gefährlich werden, die Orientierung bei Starkregen und Nebel ist schwer bis unmöglich. Auf der sicheren Route stemmen wir uns gegen unerbittlichen Dauerregen mit heftigem Wind. Mit den Köpfen tief in den Regenjacken verborgen, fällt uns dennoch die imposante Mitterkaserwand auf, die eine Art Grenze zwischen Steinernem Meer und Tal zieht. Wir steigen weiter ab bis nach Pürzelbach. Ein Transfer bringt uns zuverlässig zu unserem Ausgangspunkt Fusch am Großglockner.
Die Untere Pfandlscharte war schon in frühester Zeit ein bedeutender Alpenübergang. Erwiesen ist, dass ein Römerweg über den Iselsberg zu den Bergwerken im Mölltal und über die Untere Pfandlscharte ins Salzburgische geführt hat. Wir planen den Übergang in südliche Richtung, laufen durch Weidegebiete, und steigen auf, Kehre um Kehre, im gleichmäßigen Schritt mit gelegentlichen Trinkpausen. Auf ca. 2.420 Metern stoßen wir erneut auf Schneefelder, die wir bergauf queren. Die Sicht wird unerwartet plötzlich und deutlich schlechter, der Nebel dichter und wir können die Wegmarkierung kaum noch erkennen. Kurze Zeit später maximale Sichtweite vier Meter, unser Bergführer entscheidet aus Sicherheitsgründen rasch, dass wir nicht weitergehen. Einstimmig tragen wir den Entschluss, auch wenn wir etwas traurig sind, dass wir ca. 200 hm vor der Scharte umkehren. Die geschafften 1.130 hm gehen wir nun wieder hinab. Ein Transfer bringt uns zum Ausgangspunkt über die bekannte Großglockner-Hochalpenstraße, die die beiden österreichischen Bundesländer Salzburg und Kärnten verbindet. Sie führt von Bruck an der Großglocknerstraße über die beiden Gebirgspässe Fuscher Törl und Hochtor nach Heiligenblut am Großglockner und hat Abzweigungen zur Edelweißspitze und zur Kaiser-Franz-Josefs-Höhe. Sie ist die höchstgelegene befestigte Passstraße in Österreich. Noch im 17. Jahrhundert war dieser Übergang nach dem Brennerpass und dem Radstädter Tauernpass der drittwichtigste Alpenübergang.
Am nächsten Morgen starten wir bei herrlichem Sonnenschein ab dem Glocknerhaus, vorbei am Margaritzenstausee, hinein in den Nationalpark Hohe Tauern. Von hier genießen wir den grandiosen Blick auf den höchsten Berg Österreichs, den Großglockner, mit seinen 3.798 Metern der größte Gletscher der Ostalpen. Ein stahlblauer Himmel und purer Sonnenschein bieten eine unendliche Fernsicht, an dem man sich kaum sattsehen kann. Durch das Leitertal, entlang des Leiterbachs, der teilweise noch mit Schneefeldern bedeckt ist, wandern wir Richtung Süden und erfreuen uns an blühenden Alpenrosen, Trollblumen, Knabenkraut, Storchenschnabel und den Türkenbund. Ein Drittel aller in Österreich vorkommenden Pflanzenarten und an die 10.000 Tierarten leben in den Hohen Tauern. Das Schutzgebiet erstreckt sich über weite, alpine Urlandschaften. Flora und Fauna dieses Nationalparks gelten als besonders vielfältig, da dort durch die großen Höhenunterschiede und die Lage am Alpenhauptkamm verschiedene klimatische Bedingungen auf engem Raum zusammentreffen.
Unser Weg wird steiler und hinter der Glorerhütte auf 2.642 Metern öffnet sich der Blick auf die nächsten Bergketten. Die Granatspitzgruppe, das Defereggental, die Lasörlinggruppe und die Venedigergruppe mit dem Großvenediger liegen vor uns, zum Greifen nahe. Es geht weiter Richtung Süden abwärts bis zum neuen Lucknerhaus.
Das Defereggental ist das mittlere der drei Osttiroler Hochgebirgstäler mit Ost-West-Verlauf und zählt zu den am wenigsten besiedelten Gebiete der österreichischen Alpen. Das Pustertal und das Virgental verlaufen parallel. Es liegt im Nationalpark Hohe Tauern. Umringt von Bergen des Defereggengebirges, der Rieserfernergruppe, der Lasörlinggruppe und der Schobergruppe liegt das Defereggental ebenfalls in den HohenTauern. Besiedelt wurde es seit dem 7. Jahrhundert über den Staller Sattel und das Klammljoch, beides Übergänge in das heutige Südtirol. Noch heute genießen deshalb Südtiroler Weiderecht im oberen Defereggental. Der Hauptort St. Jakob in Defereggen ist die älteste Siedlung Osttirols.
Der Glockenton der Kirche in St. Jakob läutete den Tag ein, wir starten über die Mooser Alm in Richtung Degenhorn, der mit 2.946 Metern zu den höchsten Bergen der Region zählt. Über die Ochsenlenke steigen wir auf und gelangen vom Weideareal ins karge hochalpine Gelände. Schließlich erreichen wir den Degenhornsee und steigen über zum Teil leicht ausgesetzte Passagen bis zum Gipfelkreuz. Ein grandioser 360 Grad Rundblick erwartet uns, Großvenediger, Großglockner, Hochgall und die Dolomiten mit Marmolada, um die bekanntesten Gipfel zu nennen. Über das Villgratental, ein steiler Abstieg, erreichen wir wieder die Baumgrenze, Fichten Lärchen, Wald- und Zirbelkiefer sind hier heimisch, schlendern durch die Oberstalleralmen, ein idyllisch gelegenes kleines Dorf bestehend aus sehr alten Holzhütten.
Der Naturpark Drei Zinnen umfasst eine Gesamtfläche von 11.635 ha, liegt im nordöstlichen Bereich der Dolomiten und erstreckt sich über die Gemeinden Toblach, Sexten und Innichen. Die bekanntesten Gipfel dieses Naturparks sind der Elfer (3.092 m), der Zwölfer (3.094 m), der Paternkofel (2.744 m) und die Drei Zinnen (2.999 m), das Symbol des Hochpustertales schlechthin. Seit Juni 2009 sind die Drei Zinnen Teil des Weltnaturerbes der Dolomiten. Von Höhlenstein aus, wo wir starten, sieht man die Nordwände vom Tal aus. Reizvoll, weil nahezu menschenleer, zeigt sich der Aufstieg durch das Valle della Rienza, hübsch gelegen entlang des gleichnamigen Baches. Der Weg ist steinig, aber gut begehbar. Nach ca. 500 hm wird es steiler, nach einigen Kehren zeigen sich die Zinnen erneut in voller Pracht. Auf einer blühenden Wiese genießen wir eine grandiose Aussicht auf unzählige Spitzen der Dolomiten. Nach weiteren ca. 500 hm erreichen wir die Dreizinnenhütte, die auf 2.450 m liegt. Alpenmohn am Wegesrand und Dohlen in den Lüften begleiten uns auf dem Rückweg, den wir über Südseite der Drei Zinnen nehmen. Unser Ziel haben wir nach sechs Wandertagen erreicht. Es war ein wunderbares Erlebnis. Knapp 6.000 Höhenmetern hinauf und ca. 5.000 Höhenmeter hinunter waren machbar, eine gesunde körperliche Verfassung und Kondition sind Voraussetzung.
von Susanne Reuter, Juli 2019
Trip Tipps
Erfahrene Reiseleiter führen Gruppen über die Alpen. Das Wetter in den Bergen ist unberechenbar, aus Sicherheitsgründen und Verantwortungsbewusstsein müssen Reiseleiter gelegentlich die Routen ändern.
Ausdauer und Kondition sind Voraussetzungen, die trainierbar sind. Tipps hierzu geben Reiseveranstalter.
Geführte Wanderreisen über die Alpen, aber auch weltweit, bietet Wikinger-Reisen unter www.wikinger-reisen.de an.
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