Wonderful World
Die Welt ist wunderschön!
 


Königreich Marokko – Land des fernen Sonnenuntergangs

Zwischen Meer und hohen, schneebedeckten Bergen, Wüstensand und grünen Ebenen, am Schnittpunkt zwischen Europa und Afrika liegt Marokko. Von mehreren Dynastien geprägt, steht Marokko für ein international anerkanntes multikulturelles Land mit mehreren UNESCO-Welterben.
Rachid, unser Guide, steht mit unserer kleinen Reisegruppe am Bab Boujeloud, dem blauen Tor und dem wohl bekanntesten Eingang in die Medina, der autofreien Altstadt von Fès. Das Tor ist eines der Wahrzeichen der Stadt und des ganzen Landes. Als Teil der Medina von Fès zählt es seit dem Jahr 1981 zum UNESCO-Welterbe. Betrachtet man es von der anderen Seite, fällt die grüne Farbe ins Auge. In seiner Architektur vereint das Bab Boujeloud antik-europäische mit islamisch-maurischen Traditionen und bildet auf diese Weise ein Bindeglied zwischen beiden Welten. Die Farbgebung nimmt Bezug auf den Islam (grün) und die traditionell blaue Farbe der Keramikprodukte von Fès (bleu de Fès).


Die Medina von Fès
Wer wie wir das Tor passiert, taucht ein in ein quirliges Labyrinth, ein Gassengewirr, schaut in lachende und feilschende Händlergesichter, wird beschallt durch lautstarke Wortwechsel, sieht kleine Kinder an Händen der einkaufenden Mütter – es ist ein Spektakel. Wir gleiten sanft im Strom der Menge, vorbei an Obst- und Gemüseständen, Backwaren, Fleisch- und Fischauslagen. Meine Nase nimmt an- und unangenehme Düfte wahr, eine Herausforderung der Sinne. Es ist eng und dennoch treten alle auseinander, wenn ein Händler mit Wagen und schwerer Fracht durch die Menge rangiert. Hin und wieder dreht sich Rachid um und sieht nach dem rechten. Die Medina in Fes ist die älteste und auch die größte Marokkos: Händler und Handwerker jeglicher Zunft sind dort thematisch versammelt, vom Schmied, Kupferhandwerker bis zu den Webern, Dinandiers und Töpfer. Gelegentlich habe ich das Gefühl, hier ist die Zeit stehen geblieben.



Viel Farbe im Bottich
Rachid wird langsamer, und tritt rechts ein in einen Zugang, über Stufen hinauf, wir folgen. Weiter geht’s durch einen Raum mit Lederwaren in allen Farben und Formen. Weiter über Stufen rechts herum und durch einen Gang links hinauf, und wir stehen auf einem Balkon. Vor uns öffnet sich der Blick auf einen riesigen Innenhof, auf Behälter und Bottiche, gefüllt mit Gerberlösungen und Farben. Ein strenger Geruch zieht durch unsere Nasen. Mit Blick nach unten stelle ich schnell fest, hier wird Schwerstarbeit verrichtet. Die Männer stehen in den Bottichen, schwenken die Lappen und tauchen sie in regelmäßigen Abständen in die Lauge ein. Rachid klärt uns auf: Zunächst wird die Tierhaut mit Wasser, Kalk und weiteren, angeblich atoxischen Zusätzen, enthaart und getrocknet. Im Anschluss daran erfolgt die Färbung. An diesem Ablauf hat sich seit Jahrzehnten nichts geändert. Ich erfahre, dass sich zum Glück jedoch die Arbeitsbedingungen deutlich verbessert haben. Zählte das Gerberhandwerk, übrigens eines der ältesten- zu den unbeliebten dieser Welt, steht heute der Schutz der Menschen im Vordergrund, Arbeits- und Schutzkleidung sind mittlerweile selbstverständlich und ätzende Chemikalien wurden durch ungiftige Zusätze ersetzt. Dennoch riecht es belastend, überall stehen Gewürzpflanzen bereit, deren Blätter meine Nase etwas trösten.


Die älteste Universität der Welt
Zwischen den Handelsbereichen entdecken wir architektonische Meisterwerke dieser Königsstadt. Eine davon ist al-Qarawīyīn, die als älteste Universität der Welt gilt und deren Eintritt Nichtmuslimen verwehrt bleibt. Sie wurde 859 als Madrasa und Ort für religiöse Unterweisung von einer Frau gegründet, in Folge zum Ort der politischen Diskussion wurde, bis 1957 die Gründung als Universität folgte. König Mohammed V. führte die Fächer Mathematik, Physik, Chemie und Fremdsprachen ein. Heute werden neben dem Koran und Fiqh (islamische Rechtsprechung) Grammatik, Rhetorik, Logik, Medizin, Mathematik, Astronomie, Chemie, Geschichte, Geografie und Musik gelehrt.


Tempel, Basilika, Foren und UNESCO Weltkulturerbe Volubilis
Ein Stück der römischen Geschichte erkunden wir in Volubilis, einer archäologische Ausgrabungsstätte, die ca. 25 v. Chr. gegründet wurde und zugleich die bedeutendsten römischen Ruinen Afrikas darstellt. Seit 1997 zählt sie zum UNESCO Weltkulturerbe. Unter den Römern war Volubilis eine wichtige Provinzhauptstadt am südwestlichen Rand des römischen Herrschaftsbereiches. Das ehemalige Handelszentrum für Olivenöl und Korn brachte dem Ort großen Reichtum ein. Und die römische Provinz Mauretania Tingitana war mit Rom durch ein Netz von gut ausgebauten kaiserlichen Straßen verbunden, die durch Spanien bis zu den Säulen des Herkules führten. Nach vielen Jahren der Unruhe und Kämpfe sowie der daraus resultierenden Abwanderung geriet Volubilis bald in Vergessenheit. Erst ab 1878 begannen erste Ausgrabungen, der Restaurierungen folgten. Die Überreste der öffentlichen Verwaltungshäuser, Privathäuser, Basilika, Forum, Triumphbogen, Verzierungen aus Mosaiken und der Fund von knapp 60 Olivenölpressen nehmen uns Besucher mit in eine kleine Reise durch das Römische Reich.


Casablanca und der ‚Thron Allahs‘
Casablanca mit ca. 4 Millionen Einwohnern ist die Wirtschaftsmetropole Marokkos. Breite Straßen, moderne Infrastruktur, Businesskomplexe, eine Küste mit Strand und damit ein direkter Zugang zum Meer zeigen eine moderne Stadt. Und direkt am Meer gelegen, teilweise auf dem Wasser gebaut, glänzt sie wie ein Juwel aus 1001 Nacht: die Hassan II Moschee. Ein Wunderwerk der Architektur. Sie ist nach Mekka und Medina die größte Moschee der Welt. Dieses architektonische Meisterwerk mit Fresken und Zelliges, Stuck in feinsten Mustern und Holzarbeiten erster Klasse ließ der 1999 verstorbene König Hassan II. nach den Plänen des französischen Architekten Michel Pinseau erbauen. Das Minarett ist nach der Großen Moschee von Algier mit 210 Metern das zweithöchste Minarett der Welt. Rachid, der uns heute letztmals begleitet, führt uns durch den „Thron Allahs über dem Wasser“, der von insgesamt 10.000 Handwerkern und Künstlern, 2.500 Arbeitern in nur sechs Jahren Bauzeit errichtet wurde. Zedernholz aus dem Atlas, Marmor aus Agadir, Granit aus Tafraoute, Glas aus Murano sowie technische Raffinessen wie ein sich automatisch öffnendes Dach, eine Fußbodenheizung in der Gebetshalle sowie ein grüner Laserstrahl Richtung Mekka vervollständigen das Bauwerk. In der 20.000 m² Gebetshalle finden 25.000 Personen Platz, auf dem Außengelände nochmals 80.000.




Wo sich Wüste und hohe Berge ganz nah sind
Nur eine Stunde südlich von der geschäftigen Stadt Marrakesch entfernt, liegt die Agafay-Wüste, eine natürliche Schönheit geprägt durch Steine und Felsen. Wie ein Saum liegen am Horizont die schneebedeckten Gipfel des Hohen Atlas. Wir treffen heute Mohammed in Ourigane. Er führt uns über schmale, gut begehbare Wanderwege durch eine grüne Landschaft. Gelassenheit und Ruhe kehren ein. Während unserer Entschleunigung erfahren wir mehr über die Berber, die „Ureinwohner“ Nordafrikas. Bevor die Phönizier, die Römer, die Araber, Vandalen, Franzosen, Spanier und andere Eroberer in die Küstenregionen des Mittelmeers kamen und den abschätzigen Begriff des „Barbaren“ prägten, waren diese sogenannten Berber schon längst da: in Libyen und Ägypten, im Niger, in Mali und vor allem im Maghreb. Bis heute machen die Berber zwei Drittel der Bevölkerung Marokkos aus. Unterteilt in etwa 300 Stammesgruppen, siedeln sie vor allem in den gebirgigen Regionen des Hohen und Mittleren Atlas sowie des Riffgebirges. Dazu kommt noch ein weiteres Drittel arabischer Berber. Diese leben in den Städten des Nordens. Wir lauschen und erreichen Anraz, eine Ansammlung mehrerer Bauten, die hauptsächlich aus Lehm und Steinen bestehen. Die Bewohner nennen sich Amazigh, was ‚free people‘, also freie Menschen bedeutet. Dieser Begriff gibt ihrer Identität eine besondere Bedeutung. Ein gleichnamiger Freund von Mohammed empfängt uns in seiner aus getrockneten Oleanderzweigen erbauten Laube vor dem Haus, seine Frau bereitet das Feuer und bäckt in Windeseile Brot. Dazu wird der typische marokkanische Minztee gereicht. Diese Familie zählt zu den Selbstversorgern, züchten Hühner, leben vom Obst- und Gemüseanbau und dem gelegentlichen Besuch von Touristen. Zusammen genießen wir die Idylle, lauschen dem Lied der Vögel, essen das selbstgebackene Brot und trinken den Minztee bis wir weitergehen. Kurz darauf verabschieden wir auch Mohammed.


Argan, das marokkanische Wundermittel
Auf der Rückfahrt werden wir aufmerksam auf eine Frauenkooperative mit dem Hinweis ‚Arganoil‘. Fati eilt herbei und berichtet in rasanter Sprachgeschwindigkeit alles, was wir über die Wunderbeere Argan wissen müssen:  Vom Speiseöl bis Perle der Kosmetik, ja sogar als Heilmittel kommt das Öl zum Einsatz. Aus einem Projekt der deutschen Entwicklungshilfe GTZ (beauftragt durch das marokkanische Königshaus) zur Erhaltung der traditionellen Bewirtschaftung, der handwerklichen Ölgewinnung und der Erhaltung der Kultur der Berber entstand ein immaterielles Kulturerbe. Die ausschließlich im Südwesten Marokkos gelegenen Gebiete, aus der die Beeren stammen und die jahrhundertealten Kenntnisse sowie Nutzung des Baumes sowie der Früchte wurden 1998 durch die UNESCO zum Biosphärenreservat erklärt. In der Frauenkooperative arbeiten, wie der Begriff vermuten lässt, ausschließlich Frauen. Den Stolz sieht man ihnen an. Begeistert sind sie bei der Arbeit und tragen damit zum Familieneinkommen bei. Eingedeckt mit Öl, Balsam und Creme und eingehüllt in 1001 Eindrücke verabschieden wir uns vom zauberhaften Marokko.


von Susanne Reuter


Im Bereich Obst und Gemüse ist Marokko international wettbewerbsfähig und exportiert intensiv. Die dominierenden Produkte sind Tomaten, Zitrusfrüchte, Oliven sowie Olivenöl.
Marokko ist eines der wenigen Länder in der Region Nordafrika und dem Nahen Osten, welches über keine reichhaltigen Rohstoffvorkommen verfügt. Die wichtigsten Exportprodukte und exportierten Güter der marokkanischen Wirtschaft waren 2020 Elektronik- und Elektrozubehör, gefolgt von Fahrzeugen sowie Phosphat. Gesamtexporte in Höhe von annähernd 26,3 Milliarden Euro konnten dabei 2020 insgesamt verzeichnet werden.
Bekleidung war 2019 zusammengenommen erstmals noch vor Fahrzeugen die drittwichtigste Exportwarengruppe Marokkos. Im Zuge des Nachfrageeinbruchs von Bekleidung im Pandemiejahr 2020 ist Bekleidung nun an vierter Stelle und trägt noch immer ganze 11,4% aller landesweiten marokkanischen Exporte bei. Die Textilindustrie gilt als die arbeitsintensivste Industrie Marokkos, da es anders als beim Elektrozubehör oder der Autoindustrie noch bei der Automatisierung mangelt.